systems-change-oriented-feminist-design-mythology

systems-change-oriented-feminist-design-mythology

in a world of crisis

bachelorarbeit, paulina stein, 2025

Kritische Theorie

Struktur der Arbeit

Um den komplexen Herausforderungen unserer krisengeprägten Zeit begegnen zu können, muss ein politischer Designansatz im Sinne sozialer und methodologischer Transformation die Gegenwart systemisch und tentakulär erschließen. Dazu ist es erforderlich den Fokus auf die Denk- und Beziehungsweisen, die wir miteinander führen (das Zwischen), zu verschieben (Adamczak).

Dieses Projekt stellt den Versuch dar ein Gefühl für die Gestalt des Systems (Sevaldson) zu bekommen, um anschließend in der Praxis intervenieren zu können (siehe Praxis). In diesem Rahmen kombiniert sie schon bestehendes Wissen in eigensinnigen Verbindungen miteinander, die allesamt der Kritischen Theorie entspringen. Bei der Arbeit mit Komplexität gilt es gewohnte Denkmuster abzulegen und sich für das „unbekannte Unbekannte“ (Sevalson) zu öffnen, da fest steht: „Wir können Systeme nicht kontrollieren. Aber wir können mit ihnen tanzen“ (Meadows).

Als theoretische Grundlage fließen Arbeiten von Nancy Fraser, Bini Adamczak, Donna Haraway, Karen Armstrong und Donella Meadows ein. Ursula Le Guin bereichert die Forschung über die Bedeutung von Geschichten um die Perspektive auf den Held oder die Heldin als Flasche und die Geschichte als Beutel (Le Guin). In Anlehnung an die Tragetaschentheorie der Fiktion wird Design in dieser Arbeit als Gefäß für Hilfsmittel betrachtet. Das Ziel ist schließlich die Suche nach Geschichten über die Transformation von Geschichten (mythos), also Mythenwandlung.

Die Arbeit gliedert sich in die Einleitung und vier weitere Kapitel. Das Layout ist mit berühmten Pressefotos, hauptsächlich von der World Press Photo Ausstellung bebildert, um die Einbettung in die krisengeprägte Wirklichkeit kontinuierlich vor Augen zu führen, bestückt.

 

"Das Problem ist, dass wir alle Teil der Mördergeschichte geworden sind, und so werden wir vielleicht mit ihr fertig. Deshalb suche ich mit einem gewissen Gefühl der Dringlichkeit nach der Natur, dem Thema, den Worten der anderen Geschichte, der unerzählten, der Geschichte des Lebens."

(Le Guin, 1988, The Carrier Bag Theory of Fiction, 33)

Wissensexternalisierung

Obsidian

Der Prozess der Wissensarchivierung und Analyse hat mithilfe einer Gigamap über die Online Plattform Miro und dem Programm Obsidian stattgefunden, die jeweils eigene Prozesse nicht-linearer Wissensverabeitung ermöglicht haben.

 

Obsidian funktioniert ähnlich wie das menschliche Gedächtnis: während eine Notiz verfasst wird, können weitere verwandte Gedanken oder Themen durch Links hinzugefügt werden. Im Hintergrund verknüpft das Programm die jeweiligen Aspekte miteinander und erschafft so ein sich stetig veränderndes Netzwerk aus Zusammenhängen bei dem die Größe der Elemente abhängig von der Anzahl ihrer Verknüpfungen.

Miro

Miro bietet die Möglichkeit visuell zu arbeiten und Bündel an Informationen räumlich anzuordnen. Die Plattform bietet zwei kostenfreie Boards an, die sehr groß skalierbar sind und auf denen Leinwände (canvas) beliebig angeordnet werden können. Durch Funktionen wie das Hinzufügen von Formen oder Pfeilen, deren Eigenschaften (Füllung, Kontur, Größe, etc.) anpassbar sind, entsteht eine große Vielfalt an Gestaltungsmöglichkeiten. 

Außerdem hat sich Miro als hilfreiches Werkzeug zur Erstellung von chronologischen Datenbanken (timelines) (siehe Grafik), aber auch relationalen Diagrammen, bewiesen, da die Möglichkeit besteht Verknüpfungen zu anderen Websites einzufügen, die als Miniaturansichten übersichtlich sortiert, skaliert und archiviert werden können. Zusätzlich können verschiedene Personen auf ein Miro-Board zugreifen und synchron daran und miteinander arbeiten. Diese Funktion ist besonders bei komplexen Projekte mit verschiedenen Einheiten, Formaten, Teilnehmenden und Phasen hilfreich.

Gigamapping

Die Gigamap kann als ein „analytisches, holistisches und dialogisches“ „Prozessinstrument“ (Sevaldson, 21) oder „Gedächtniswerkzeug“ (ebd., 53) verstanden werden, das „nicht für die Kommunikation über die Personen hinaus gedacht ist, die sie erstellt haben“ (Sevaldson, 21), sondern für die Organisierung und Verknüpfung großer Mengen an Informationen, Modellen, Diagrammen, Beziehungen und Lösungen innerhalb eines systemischen Designprozess. Der Prozess, in dem das bereits existierende Wissen zusammengetragen wird, wird als „Wissensexternalisierung(Sevaldson, 51) bezeichnet.

Außerdem fungiert sie als ein Werkzeug der Zusammenarbeit, basiert auf einer „free-style Praxis“ (Sevaldson, 26) und hat sich durch den prozesshaften, kooperativen und dynamischen Charakter als einen Hauptbestandteil des Systems-Oriented-Design hervorgetan, der oft zu Beginn eines Projektes zum Einsatz kommt, darüber hinaus jedoch den gesamten Designprozess erfassen kann.

Analoge Skizze

Artistic Research

Die Analoge Skizze ist durch die Kombination aus Giggamapping und Artistic Research entstanden. 

Mit Materialien, Stiften, Proportionen und Endgültigkeit zu arbeiten steht in direktem Kontrast zu der Schnelllebigkeit der Gegenwart. Analoges Arbeiten beeinflusst den Denkprozess ungemein, da die Übertragung von Informationen in eine physische Gestalt Bedeutungsebenen über die Theorie hinaus schafft. 
So wurden in dieser Arbeit bewusst simple Materialien, wie Packpapier, Bleistift und Fineliner gewählt. Der Fokus hierbei liegt auf dem Inhalt und dessen Zugänglichkeit – auch in Bezug auf die Wahl der Materialien. 

„Im Rahmen Künstlerischer Forschung werden die Ergebnisse des Projektes in ihrer Gestalt zu erfassen und in Form einer Skulptur nachzuempfinden versucht. 
In der Gesamtheit wird ein Prozess präsentiert, der auf dieser sehr umfangreichen Analyse und dem „Bedürfnis nach Ordnung in einer chaotischen Welt“ (vgl. Lomardi) basiert. Es ist der Versuch Ambiguitätstoleranz zu trainieren, hegemoniale Denkweisen in Frage zu stellen und die schöpferische Freude in den Dienst der Solidarität zu stellen.“ (205)

Das Konzept der Künstlerischen Forschung (artistic research) bezieht sie sich auf einen Forschungsansatz, der künstlerische Praxis und wissenschaftliche Methoden kombiniert, um neue Wege der Erkenntnisgewinnung und Ausdrucksformen in einem experimentellen Prozess zu untersuchen. Dabei gilt es „die Distanz zwischen Theorie und Praxis zu überbrücken oder sogar (in einigen Fällen) die Unterscheidung zwischen Kunstproduktion, kritischer Reflexion und Alltagsleben aufzuheben“ Denken“.

(making matters – A Vocabulary for Collective Arts, 2022, Hackers & Designers)

Chthuluzän (Haraway)

„Ein tentakuläres, systemisches Denken zu entwickeln aus dem eine feministische Designpraxis entstehen kann, die das Kollektiv, die Multitude, die Vielen emanzipiert, muss also in einem gemeinsamen Prozess stattfinden.
Die Neu- und Weiterentwicklung kritischer Theroie und das stetige Forschen nach Möglichkeiten ist als Akt der Emanzipation zu verstehen, der „als Grundlage [dienen kann], eine herrschaftsfreie Un-Ordnung zu konstruieren“ (Adamczak, 237). In diesem Sinne bedeutet Fragen zu stellen „unruhig und beunruhigt [zu] bleiben“ und das funktioniert durch „eine Kombination aus schöpferischer Freude, Schrecken und kollektivem Denken“(Haraway, 48).

Ein solches Konzept findet sich in dem wieder, was Haraway als das Chthuluzän, das Zeitalter des Lernens, bezeichnet. Das Wort verbindet zwei griechische Wurzeln, khthôn und kainos, miteinander und beschreibt den Zustand die „Idee eines responsablen (response-able) gemeinsamen Leben und Sterbens auf einer beschädigten Welt nicht aufzugeben“ (Haraway, 10).

Im Chthuluzän gibt es verschiedene Kategorien des Lebens, die miteinander in eigensinnigen Verwandtschaften oder Sippschaften (kin) verbunden sind und das auf eine andere Art „oder zumindest zusätzlich, mit der göttlichen, genealogischen und biogenetischen Familie“, denn das „rührt wichtige Dinge auf; zum Beispiel die Frage, wem gegenüber man eigentlich verantwortlich ist“ (Haraway, 10f.) und schafft andere „produktive, eigensinnige Verwandtschaften (oddkin)“ (Haraway, 12). Als besonders fruchtbar beschreibt sie die Verbindungen zwischen verschiedenen Spezies (multi-species connections).“ (32-33)

Die Arbeit