systems-change-oriented-feminist-design-mythology

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in a world of crisis

bachelorarbeit, paulina stein, 2025

Platzhalter für die finale Design Fiction Installation 

Design Fiction

Design Fiction ist eine kreative Praxis, die Elemente des Designs und der Science-Fiction vereint, um spekulative Zukunftsszenarien zu erforschen. Der Begriff wurde von dem Science-Fiction Autor Bruce Sterling geprägt, der in den 2000er Jahren begann, darüber zu schreiben und zu sprechen und gemeinsam mit Künstler und Technologe Julian Bleecker weiterentwickelt. Als eine Kombination aus Design und Fiktion, kann Design Fiction Wissen über Gestaltungsprozesse, Systeme und sozialen Wandel in Projekten miteinander vereinen und dabei nicht nur als Intervention in der Gegenwart, sondern gleichermaßen Werkzeug zur Zukunftsvoraussicht (future foresight) fungieren.

Sterling argumentierte, dass Science-Fiction nicht nur als Unterhaltung oder reine Fantasie betrachtet werden sollte, sondern auch als Werkzeug, um über mögliche Zukunftswelten nachzudenken. Design Fiction integriert Designmethoden, Prototypenbau und Erzähltechniken, um potenzielle Zukünfte zu visualisieren und zu erforschen. Dennoch ist es eine world building (terraforming) Aktivität, „ohne inhärente Verbindung zu Narrativen oder Storytelling (Coulton, Lindley, Sturdee, Stead 2017, 2). Die Fiktion, das spekulative System, kann Möglichkeiten erforschen und durch die Entwicklung und Gestaltung von Artefakten, ebendiesen Geschichten eine physische Form verleihen und sie somit, physische oder imaginierte, Teile von Zukunft der gegenwärtigen Realität hinzufügen.“ (206)

"People need a motivating vision of what comes next and the awareness that more will happen after that... the future is a process not a destination. The future is a verb not a noun."

Bruce Sterling (Autor & Kritiker)

Diegesis

Das Wort Diegesis (altgriechisch διήγησις dihḗgesis, deutsch ‚Erörterung‘, ‚Darstellung‘) geht nach Aussage seiner Schüler auf den antiken Philosophen Sokrates zurück und bezeichnet eine erzählende Vermittlung. (Wikipedia Diegesis, Stand 29.01.2025)

Diagetische Prototypen, wie sie etwa in Science-Fiction Literatur als Artefakte vorkommen, bieten sogenannte Eintrittspunkte (entry points) in spekulative Welten. Das Konzept der Diegesis (diagesis), das von Bleecker entwickelt wurde, ist von besonderer Relevanz in seiner Design-Fiction Theorie.

„Design Fiction ist der bewusste Einsatz von diegetischen Prototypen, um den Unglauben über Veränderungen zu suspendieren“ (Sterling vgl. Bosch, 2012).  Die Diegesis des finalen Objektes entscheidend für seine Überzeugungskraft. Die diegetische Installation wird auf Grundlage der Gigamap entworfen.

Material

Als Material wurde jeweils die zugänglichste Variante gewählt,  ebenso wie bei den Skizzen. 

Papiermaché ist leicht herstellbar, nicht schädlich und umgänglich zu verarbeiten. Aus diesen Gründen wurden alle größeren Elemente aus diesem Material produziert, etwa die zwei Kugeln, die die Multitude (kleine Kugel) umgeben vom Kannibalischen Kapitalismus (große Kugel) darstellen. 
In diesem Fall wurde ein industriell gefertigtes Papiemaché Modelliermehl auf Zellulosemehlbasis verwendet, um Stabilität zu garantieren. Eine andere Herstellungsweise von Papiermaché wäre die Mischung von Tapenkleister und Zeitungsstückchen. 

 

Gips wurde als Material für die Gesichter gewählt, da als natürliches Mineral keine schädlichen Eigenschaften hat und in Form von Gipsbinden zum Abformen diverser Objekte eignet. 
Der Prozess der Gipsgesichter-Herstellung war außerdem willkommen Zeit mit meinen Mitbewohner:innen, die mir freundlicherweise ihre Köpfe ausliehen.

 

Dokumentation

Als verbindendes Element zur persönlichen Entwicklung als Mensch, Frau und Designerin wurde in der Mitte der Installation das Gehirn aus Seife, das Teil der Bewerbung der Autorin an der KISD im Jahr 2018 war, positioniert. Die Installation der Bewerbung hieß „to be or not to be brainwashed“ und bezog sich auf die Abhängigkeiten von Wahrnehmung von der äußeren Einflüssen, sowie die Formbarkeit des Gehirns (Bewerbungsinstallation: Grafik unten). Im Kontext dieser Arbeit symbolisiert das Gehirn genau diese Formbarkeit als kollektiven Lernprozess und am Beispiel des Heroes e.V.

Das Objekt besteht aus zwei runden Kugeln. Zur Herstellungen wurde Papiermaschee um große Lufballoon modelliert. Die äußere Kugel stellt dabei das System, also den Kannibalischen Kapitalismus, dar, wobei die innere Kugeln als Symbol für die Multitude, das Kommune, die Vielen steht, weshalb die Oberfläche mit Gipsgesichtern übersäht ist. In der Mitte befindet sich das Gehirn und spiegelt den menschlichen Lernprozess, sowie meine Entwicklung durch das Studium und das Video über das Projekt Heroes. 

To be or not to be brainwashed (Cologne, 2018), Paulina Stein als Bewerbung für das Integrated Design Studium an der Köln International School of Design mit dem Thema soft/hard

Wahrnehmung bzw. Denkweisen (mindsets) als entscheidender Faktor für die Einschätzung von Welt. Die gelben Fäden symbolisieren dabei die Abhängigkeiten von der Umwelt.

Gipsgesichter als Symbol für die Multitude

Erstes Gipsgesicht

Phil

Achtes Gipsgesicht

Jule

Gipsgesichter 1-4

Tristan, Phil, Lynn, Simon (v.l.n.r.)

Der Kannibalische Kapitalismus

Die Dokumentation wird hier stetig aktualisiert, von der Entstehung bis zur Ausstellung. 

Interviews

In den Interviews, die nach der Zertifizierungsfeier im Jugenkulturzentrum Berlin-Neukölln am 15.12.2024 aufgezeichnet wurden, berichten der theaterpädagogische Gruppenleiter Koray Diler und die drei Heroes Safa Yildiz, Emre Cömen und Evrim Altay von ihren Erfahrungen bei HEROES®.

Fokus lag auf ihren Erfahrungen in Bezug auf das Projekt, die sie geprägt und verändert haben. Die jeweiligen Perspektiven auf Heroismus in der Gegenwart gelten als Einschätzungen von Experten bezüglich persönlicher Transformationsprozesse, Experten der Hilfe und Kritikern des Patriarchats. Leider sind feministische Männer in der Gegenwart noch immer nicht die Regel – die Gewalt an Frauen* und Mädchen steigt und betont wieder einmal die Dringlichkeit einer feministischen Revolution durch die Transformation unserer Beziehungsweisen

In den vorangegangenen Gesprächen mit dem HEROES Team und auf Grund des spezifischen Fokus des Projektes auf ehrkulturelle Identität, sind zwei Aspekte in Bezug auf die kontroverse Wahrnehmung und Geschichte von Held:innenbildern immer wieder aufgetaucht: Ehre und Mut

Durch die Interviews, den Workshop und die Gespräche über Heroismus ist klar geworden, dass Mut erforderlich für Veränderung ist und Feminismus nur gelebt werden kann, wenn tradierte patriarchale Mythen, die durch Konzepte wie das der Ehre in kulturelle Identitäten eingeschrieben sind, in einem kollektiven Prozess tranformiert werden. Eins der vielen Potenziale liegt also in der Kooperation aus Designer:innen, Pädagog:innen und Sozial Arbeiter:innen, um Hilfsstrukturen systemisch zu verbessern.